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Donnerstag, 7. August 2008

Olympia 3 - im Deutschen Haus des DOSB

Ursprünglich wollte ich über verschiedene Uniformen in China schreiben, mit besonderem Augenmerk auf die unzähligen neuen „Uniformierten“ – die freiwilligen Helfer. Allerdings bin ich die letzten Tage nicht von meinem Arbeitsort weggekommen, sodass ich mich kurzerhand entschieden habe, euch vom „Deutsche Haus“ zu berichten.

Was ist das eigentlich? Das „Deutsche Haus“ wird vom DOSB eingerichtet und dient als Anlaufpunkt für Sportler, Funktionäre, Journalisten und Sponsoren. Eingerichtet wurde es im Garten, neben dem ZDF Außenstudio, sowie im Erdgeschoss des Kempinski Hotels, eine Etage unter dem ARD Innenstudio.

Um es mal von oben herunterzubrechen – das Deutsche Haus besteht aus einem Innenbereich (mit Eingangslobby, Athletenlounge, Buffet und Disco) und einem Außenbereich (Bühne, Großteil der Sitzmöglichkeiten, Buffet, Bier- und Cocktailbar), die alle mit Licht beleuchtet, mit Sound beschallt und mit riesigen Plasma-Fernsehern bestrahlt werden. Dafür ist der Technische Leiter verantwortlich, dem ich als Projektassistent zugeordnet bin. Im Wesentlichen laufen meine Aufgaben darauf hinaus, unsere chinesischen „helping hands“ anzuleiten: Cases hin- und herschieben, Kabel ziehen, Lampen an Traversen installieren, Boxen im Gelände verteilen usw. Es ist sicherlich kein typischer Dolmetscherjob, für den ich eigentlich angedacht war. Aber es ist natürlich auch kein typisches Umfeld: es ist the place to be aus deutscher Sicht in diesen Tagen.

Bewusst wurde ich mir dessen erst, als die erste Pressekonferenz des DOSB in der ersten Etage abgehalten und der Fahnenträger geheimnisvoll angekündigt wurde. Während ich das Ganze auf einem der unzähligen Plasmabildschirme im Großformat live verfolgte, war ich von einer auf die nächste Sekunde wie im falschen Film – Dirk Nowitzki hier auf der PK?? Eine der deutschen Ausnahmesporterscheinungen nur eine Etage über mir? Das musste ich mir natürlich genauer anschauen. Denn was ich an Dirk Nowitzki so sehr schätze, ist die Ruhe, Gelassenheit und Bodenständigkeit, die er ausstrahlt. Er könnte mit Starallüren soviel mehr Aufmerksamkeit auf seine Leistungen ziehen und dadurch mehr ins Bewusstsein vieler Deutscher rücken. Aber nein – stattdessen zahlt er aus eigener Tasche einen Teil der Versicherung, die die Mavs vom DBB für Nowitzkis Spielfreigabe verlangen und verliert kein Wort darüber. Menschen wie Nowitzki werden ihrer Vorbildfunktion vollkommen gerecht. Daher denke ich, ihm zum Fahnenträger zu ernennen, ist eine sehr gute Entscheidung.

Am gestrigen Abend war dann die Eröffnung des „Deutschen Hauses“. Reinkommt nur, wer mit Foto und Fingerabdruck akkreditiert ist. Dementsprechend war ich schon etwas verwundert, plötzlich Herrn Prof. Digel, Dekan der Sportwissenschaften in Tübingen, dort anzutreffen.

Nachdem ich meine chinesischen Helfer zum Abschluss noch zum Abendessen eingeladen hatte und wieder zum Kempinski zurückgekehrt bin, war die Party bereits voll im Gange. Während Waldemar Hartmann im ARD „Peking 2008“ T-Shirt sich mit den ZDF Kollegen bei einem Bier unterhielt, stand am Nachbartisch Franziska van Almsick und schaute dem bunten Treiben zu. Dem Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft, Patrick Femerling, konnte ich bei einem Bier meine Telefonnr. geben, um mich als Tourguide anzubieten. Mal sehen, ob da was kommt. Und zu guter letzt war auch noch unser Herr Altbundeskanzler Gerhard Schröder vor Ort (übrigens gemeinsam mit Mirko Slomka, Ex-Trainer von Schalke, die von Gazprom gesponsert werden), worauf dieses Foto entstanden ist.

Bei chilliger Musik und süßen Cocktails hat die Partygemeinschaft den Ausklang des Abends zelebriert und wenn sie nicht gestorben sind, dann zelebrieren sie noch heute. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal.

phil



(Foto 1: Blick über den Garten des Kempinski - vorne das Deutsche Haus, hinten das ZDF Außenstudio)

(Foto 2: Eingangsbereich Deutsches Haus einen Tag vor der Eröffnung)

(Foto 3: Dirk Nowitzki bei der PK zum Fahnenträger)

(Foto 4: Smalltalk mit Herrn Schröder)

Samstag, 2. August 2008

Olympia 2- GRÜNE Spiele

Die Organisatoren in Beijing mussten sich viele Vorwürfe im Vorfeld gefallen lassen: wird die Luftqualität während der Spiele besser sein? Oder doch Smog-Alarm und verrauchte Sportlerlungen? Einige Sportler hatten sogar schon im Vorfeld ihre Teilnahme aufgrund der schlechten Luftverhältnisse abgesagt. Also wie schaut die Situation nun knapp eine Woche vor Beginn aus?

Die Organisatoren sind beunruhigt. Denn es lag bis vor kurzem dicke Luft über der Stadt. Nicht aufgrund von Smog – denn die Luftqualität hat sich tatsächlich gravierend verbessert. Das System des abwechselnden Fahrverbots für gerade & ungerade Nummernschilder am Auto konnte die Verkehrssituation entschärfen; trotz speziell eingerichteter Olympia-Spur, die sich durch die gesamte Stadt zieht und den allgemeinen Verkehr von drei auf zwei Spuren einschränkt. Sicherlich hat die vorübergehende Stilllegung zahlreicher Fabriken im Umkreis von Beijing ihr Übriges beigetragen (ich erinnere mich noch an meinen ersten blauen Himmel in Beijing vor ca. 3 Jahren, damals gab es das Gerücht von vorübergehender Fabrikenschließung aufgrund des Staatsbesuchs von Tony Blair …)

Die kürzlich „dicke Luft“ und eingeschränkte Weitsicht ist dem drückendschwülen Klima zuzuschreiben, das Beijing von Zeit zu Zeit in eine siedende Glocke aus feuchtem Nebel hüllt. Angesichts dieser Ohnmacht zog die Stadtregierung kürzlich sogar in Betracht, 90 % des privaten Autoverkehrs zu verbieten. Für freie Sicht der internationalen Besucher.

Dabei wurden umfangreiche Bemühungen im Vorfeld unternommen. Der Expressway zwischen Airport und Stadtrand Beijings ist beidseitig mit Bäumen grün bepflanzt – eine über Jahre angelegte Um- und Bepflanzungsaktion, die den ankommenden Gast sogleich das Bild eines grünen Beijings vermitteln soll.

Im Radio wurde kürzlich von den Ergebnissen einer fünfjährigen Erforschung besonders klimaresistenter Pflanzen berichtet. Über 100 Arten eignen sich demnach besonders für die Bepflanzung des Olympic Greens rund um das Vogelnest, dem neuen Nationalstadion Chinas.

Auf dem Platz des himmlischen Friedens wurden ebenfalls riesige Bildkulissen aus Pflanzen aufgebaut. Grünflächen werden mit Schildchen wie „Grün ist die Quelle des Lebens“ vor dem Betreten geschützt und ein lokaler Hersteller von Grüntee-Erfrischungsgetränken hat daraus einen Slogan abgewandelt: „Grün belebt!“

All diese Bemühungen sind lobenswert, wenn man außen vorlässt, mit welchem Preis sie erkauft wurden. Ich bin selbst Zeuge geworden, wie zu später Abendstunde an einer belebten Stelle Straßenbepflanzungen großflächig mit Pestiziden von einem fahrenden Transporter aus besprüht wurden – worauf sich unmittelbar ein chemischer Geruch in der Luft ausgebreitet hat. Ein Freund hat mir berichtet, dass die Pflanzen auf dem Olympic Green mittlerweile auch schon zu großen Teilen absterben – trotz fünfjähriger Erforschung.

Was soll man also drumherum reden: Boden und Klima eignen sich nicht zur bunten Bepflanzungsoffensive – chemische Hilfsmittel und Unmengen an Wasser bei knappen Ressourcen sorgen letztendlich für mehr Schaden, als Nutzen gestiftet wird. Vor allem, wenn man sich bewusst wird, dass China aus mehr besteht als nur Beijing (welche Entbehrungen müssen dann erst andere Teile Chinas hinnehmen, um das Olympiaspektakel zu finanzieren?)

Dem gegenüber steht die Mentalität der Chinesen zum Umweltschutz – trotz breiter Kampagnenoffensive hat eine tiefergreifende Sensibilisierung noch nicht stattgefunden. Verpackungsreste werden immer noch willkürlich auf die Straße geschmissen. Durch Grünstreifen entlang von Gehwegen ziehen sich mitunter Stränge bunter Kunststoffabfälle. Solche Zustände vermitteln mir das Gefühl, dass viele Chinesen eine andere Wahrnehmung von Müllentsorgung und Umweltschutz haben – als wenn völlig uninteressant wäre, wie hoch sich die Müllberge vor der eigenen Haustür stapeln (solange sie draußen bleiben). Klar, das betrifft natürlich nicht alle und lässt sich nicht pauschalisieren. Und die oftmals mangelhaft organisierte Müllentsorgung verbunden mit der unzureichenden Anzahl öffentlicher Abfallkörbe tragen auch zu dieser Situation bei.

Bleibt nur noch festzuhalten, dass, nach zwei regnerischen Tagen, heute vormittag strahlend blauer Himmel, Sonnenschein, klare Luft und hervorragende Weitsicht das Wetter bestimmten. Solch ideale Wettkampfbedingungen sollten die Organisatoren vorerst beruhigen können – die Umweltstrategie scheint wenige Tage vor Beginn der Spiele aufgegangen zu sein. Jetzt muss nur noch das Wetter dauerhaft mitspielen.

phil


(Foto 1: das International Broadcasting Center (IBC) auf dem Olympia-Gelende unter der Dunstglocke Beijings)

(Foto 2: "Pflege & liebe das Leben, schütze die Ökologie")

(Foto 3: "Wertschätze die Wasserquelle, vom Tropfen beginnend,
klares blaues Wasser und blauer Himmel beruhen auf Mitgefühl, Preisung und Schutz.
- Bitte schützen Sie die Wasserumwelt")

(Foto 4: Freie Sicht kurz nach einem Regenschauer)